Diese
Frage wurde mir eines Tages während des Aufenthaltes hier in der
Klinik gestellt.
Ich
wollte sofort „Ja!“ sagen, aber dann musste ich plötzlich
stutzen.
Mittagspause,
Urlaub am Meer, Wochenenden, Serienabende. Oder ganz konkret: nach
meiner Physiotherapie mache ich auch immer ein kurzes Nickerchen,
bevor es zur Beingymnastik geht.
Und
dann habe ich ganz ehrlich über diese Pausen nachgedacht.
Mittagspause
heißt oft Essen warmmachen und neben dem PC essen. Wenn dann das
Telefon klingelt, dann gehe ich oft auch dran.
Während
der Urlaubstage am Meer habe ich täglich meine sämtlichen Accounts
bei sozialen Netzwerken gecheckt und ganz nebenbei auch noch ein
Vorstellungsgespräch geführt und einen neuen Job ergattert.
Am
Wochenende arbeite ich alle zwei Wochen in meinem Nebenjob in der
Gastronomie.
Wenn
ich dort nicht arbeite, dann arbeite ich an einem neuen Blogpost.
Und
das Nickerchen nach der Physiotherapie ist eigentlich auch geprägt
von Gedanken an das, was ich alles noch erledigen muss an diesem Tag.
Tatsächlich
habe ich erst einmal in meinem Leben eine RICHTIGE Pause gemacht:
nach der Matura, als ich als Studentin eingeschrieben war, aber nach
drei Wochen einfach nicht mehr hinging. Stattdessen habe ich ein
ganzes Jahr damit verbracht, lange zu schlafen, ein wenig zu
arbeiten, mich auf die Aufnahmeprüfungen an Schauspielschulen
vorzubereiten, „Sims“ zu spielen, nach New York zu reisen, meine
kleine Nachbarin zu bespaßen, eine sehr enge Beziehung zu einem
Kater aufzubauen, in einem Musical mitzuspielen und ein paar Pies zu
backen.
Es
war ein gutes Jahr.
Es
ist nichts passiert, keine Karriere, kein großartiges Einkommen.
Ich
habe einfach nur gelebt, ohne viele Sorgen und Verpflichtungen.
Klar,
ich war 19 Jahre jung, lebte zuhause. Für mich wurde gesorgt.
Es
ist einfach, in so einer Situation loszulassen und einfach mal nichts
zu machen.
Heute
wäre das viel viel schwieriger.
STOP.
Genau
hier möchte ich einhaken: WARUM zum Teufel ist es heute schwieriger?
Vieleicht
ist die Entscheidung, eine Pause zu wagen, schwierig, aber
meine tatsächliche Pause verläuft bis jetzt eigentlich äußerst
unkompliziert und es ist auch gar nicht schwierg. (Den Umständen
entsprechend.)
Mein
Schicksal hat am 15. Dezember vergangenen Jahres beschlossen, dass
mir der Part mit dem Entscheiden erspart bleibt und ich ganz einfach
zu einer Pause gezwungen werde. Ob ich wollte, oder nicht.
Es
begann mit einem kleinen Moment.
Ein
Zusammenstoß, der mein Leben verändert hat, gefolgt von 40
seltsamen, irreal wirkenden Minuten.
40
Minuten, so lange hat es gedauert, bis ich nach meinem Unfall in
einem Schockraum in München in eine, im wahrsten Sinne des Wortes,
künstlche Pause geschickt wurde. Eine Pause, die bis heute anhält
und noch lange nicht vorbei sein wird.
Ich
wünsche NIEMANDEM auf dieser Welt, dass es das erleben muss, was ich
erlebt habe.
Aber
für mich war es wohl an der Zeit.
So
klicheehaft das jetzt auch klingen mag, dieser Unfall und meine
Zwangspause haben mich wahnsinnig zum Nachdenken gebracht.
Was
will ich von diesem Leben und warum kann ich keine Pausen machen?
Warum habe ich so große Angst davor?
Und
warum setze ich mir selbst immer wieder Limits?
Wie
oft habe ich mir selbst gesagt, dass ich all meine Träume sowieso
niemals verwirklichen kann, dass das alles total unrealistisch ist?
Nun, als ich kurz vor Weihnachten mit einer zweistelligen Zahl von Knochenbrüchen in einem Krankenhaus in München lag und meine Lunge so schwach war, dass ich kaum mehrere Sätze hintereinander sprechen konnte, ohne atemlos zu sein, konnte ich es mir auch nicht vorstellen, jemals wieder tanzen zu können oder irgendwann mal wieder voller Inbrunst einen Popsong zu singen.
Und
dann war es tatsächlich so, dass ich nach nur 6 Wochen meine ersten
Schritte gemacht habe.
Gesungen
habe ich sogar noch früher, bereits eine Woche nach dem Unfall.
Ich
wurde operiert und hatte ganz schön Angst davor.
Irgendwo
habe ich mal gehört, dass man das Gefühl der Angst nicht verspüren
kann, während man singt.
Also
habe ich mit erschöpfter, zarter Stimme gemeinsam mit meinem Papa
(und später ein paar supercoolen Ärzten) „Über den Wolken“
gesungen, bis mich die Narkose ins Traumland geschickt hat.
Zu
sehen, wie unrealistisch diese Träume anfangs schienen und wie
schnell ich sie mir aber verwirklicht habe, hat mich verändert.
Ich
bin heute viel mutiger. Abenteuerlustig. Ein wenig furchtloser.
Und
vor allem geht mir ständig ein Satz im Kopf rum: WARUM NICHT,
VERDAMMT?!
Warum
ständig Angst und Sorgen haben? Warum sich ständig selbst
anzweifeln?
Warum
sich ständig in der Komfortzone verstecken?
Ich
habe am eigenen Leib erfahren, dass es manchmal nur eine Sekunde ist,
die entscheidet, ob man überleben darf oder nicht.
Und
ich habe in dieser einen Sekunde erkannt, dass ich noch nicht bereit
bin, zu gehen.
Ich
habe so viele Pläne und Träume, die ich in die Tat umsetzen möchte.
Und
ich möchte nun keine Zeit mehr verlieren.
Im
Hinterkopf bleibt natürlich immer die Ermahnung, dass ich nicht
verlernen sollte, Pausen zu machen. Motivation und Energie lassen
manchmal keine Pausen zu.
Aber
auch davor habe ich keine Angst mehr: einfach mal stehen zu bleiben,
durchzuatmen und mich hinzusetzen. Im wahrsten und auch im
übertragenen Sinne des Wortes.
Warum
ich das hier alles schreibe?
Weil
ich weiß, wie viele junge (und auch ältere) Menschen sich da
draußen mit genau diesen Gedanken rumschlagen.
Und
mal ganz ehrlich, es kann nicht jeder von uns erst einen schweren
Unfall haben, bis man diese Dinge erkennt.
Ich
hoffe, dass ich euch motivieren kann, mutig zu sein und keine Angst
zu haben, auch mal für euch selbst einzustehen und einfach NEIN oder
STOP zu sagen.
Niemand
schreibt uns vor, wie wir unser Leben zu leben haben.
Es
ist schwierig, aus festgefahrenen Situationen wieder auszubrechen und
sich in unbekannte Gewässer zu begeben, aber es ist absolut
notwendig, das ab und zu mal zu tun.
Wir
haben nicht ewig Zeit. Ist leider so.
Ich
erlebe nun die siebte Woche nach meinem Unfall und habe mir meine
Mobilität zurück gekämpft. Schritt für Schritt. Es lagen viele
Steine im Weg und es wird noch sehr viel länger als nur sieben
weitere Wochen brauchen, bis ich wieder komplett fit bin, aber ich
bin wirklich dankbar für jeden einzelnen Tag, für jeden Schritt,
jede Umarmung eines lieben Menschen.
Ich
arbeite jeden Tag daran, eine schreckliche Situatuion in eine Gute zu
verwandeln und ich sage euch: ich bin auf dem besten Weg dahin.
Es ist SO, SO schön, auf dieser Welt zu sein. Egal, wie viele böse Kriege grade herrschen, egal, ob Amerika sich grade selbst zu Grunde richtet, wir alle überarbeitet oder voller Liebeskummer sind: es ist einfach WUNDERBAR, zu leben.
Und
das alleine macht jeden Tag lebenswert.
Ich
möchte an dieser Stelle auch kurz noch DANKE an ein paar Menschen
sagen, die mich bisher begleitet haben und mein neues Leben so
erträglich wie möglich gemacht haben.
Ihr
habt Unglaubliches geleistet, seid über eure eigenen Grenzen
gegangen, habt euch selbst ganz hinten und mich ganz vorne
angestellt, ward stark für mich, habt mit mir gelacht und geweint,
habt mir Hoffnung genauso wie Realität gegeben, mich mit allem
versorgt, was man in einem Krankenhaus braucht, mir eure Anteilnahme
ausgesprochen und selbstlos gehandelt.
Ihr
seid der Grund, warum ich so schnell wieder auf die Beine gekommen
bin, warum ich voller Tatendrang und Energie stecke und warum ich
mein Leben heute einfach nur unglaublich liebe.
Namen
brauche ich keine nennen, ihr wisst, wen von euch ich meine.
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